Gesundheit geht nicht nur Alte an
Viele junge Leute kümmern sich zu wenig um ein zentrales Thema, das ihr Leben mitbestimmt
Kölner Stadt-Anzeiger, 7. September 2017
Noch wenige Wochen, dann wird der Bundestag gewählt. Das Duell der Kanzlerin gegen ihren Herausforderer – was ja gar kein Duell war – ist vorbei. Aber vielleicht werden die Debatten ja noch intensiver. Wie kann die Integration der Flüchtlinge gelingen? Wie kann man die innere Sicherheit verbessern? Und was können wir gegen die wachsende soziale Ungleichheit tun?
Doch nur die wenigsten Jugendlichen haben gleichzeitig auch das Thema Gesundheitspolitik auf dem Schirm. Dabei ist es ein Thema, was besondere Aufmerksamkeit verdient. Als Medizinstudent habe ich sicherlich einen besonderen Zugang zu dem Thema. Und der ein oder andere könnte fragen: Ist das nicht ein Thema, das nur Alte und Kranke betrifft? Ich bin doch jung und fit und zahle noch lange nicht in die Krankenkasse ein, da kann mir das doch reichlich egal sein.
Doch das ist falsch: Die flächendeckende Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau ist keine Selbstverständlichkeit. Auch wenn wir uns häufig über lange Wartezeiten ärgern: Im Vergleich zu anderen Ländern sind diese bei uns doch sehr gering. Dass wir überhaupt ohne etwas für den Besuch beim Arzt bezahlen zu müssen, jeden Arzt aufsuchen können, findet sich so fast nirgends auf der Welt.
Also alles gut? Keineswegs! Denn um eine gute Gesundheitsversorgung für alle auch in Zukunft sicher stellen zu können, müssen wir schon heute über die Herausforderungen von morgen nachdenken!
Kluge Ideen sind gefragt, wie wir der zunehmend alternden Bevölkerung, der Minderversorgung in ländlichen Gebieten und dem immer höheren Bedarf an Pflegepersonal begegnen können. Und wie wir den Fortschritt in der Medizin mit immer stärker personalisierten, aber auch kostenintensiven Therapien finanzierbar gestalten.
Nichts hat so gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität wie unsere Gesundheit. Eine gute Gesundheit ist die Voraussetzung dafür, unser Leben eigenständig zu gestalten, Geld zu verdienen und uns selbst verwirklichen zu können. Den Rahmen dafür muss der Staat setzen. Wie das in Zukunft aussehen wird, darüber können wir am 24. September abstimmen – bei der Bundestagswahl.
Lukas B. Kohlenbach
„Die Krankenversicherung muss zu mir passen“
Expertin gibt Tipps zur richtigen Vorsorge
Die Krankenversorgung in Deutschland hat im Vergleich mit vielen anderen Ländern der Welt ein sehr hohes Niveau. Wo sehen Sie die größten Stärken unseres Gesundheitssystems?
Die größten Stärken unseres Gesundheitssystems sind der gute Zugang, der umfangreiche Leistungskatalog und gut ausgebildetes Personal.
Und was halten Sie für große Schwächen?
Ich möchte drei nennen. Die Kommunikation in der Versorgung zwischen Hausarzt beziehungsweise Facharzt und Krankenhaus, Pflegedienst, Sozialdienst oder anderen Einrichtungen klappt nicht immer gut. Zweitens die fehlende Kosten-Nutzen-Bewertung für neue Arzneimittel. Neue Arzneimittel werden nach ihrem Nutzen bewertet. Die Nutzenbewertung fließt in die Preisverhandlungen ein, die zwischen den Herstellern der Arzneimittel und der Selbstverwaltung – also im weitesten Sinne den Krankenkassen – geführt werden. Es gibt aber noch keine Kosten-Nutzen-Bewertung. Und drittens: Die Einführung der Telemedizin und der elektronischen Gesundheitskarte ist zu schleppend.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im Bundestagswahlkampf diskutiert werden?
Die Frage ist meines Erachtens, wie wir die gesetzlichen Krankenversicherungen so weiterentwickeln können, dass sie zukunftssicher ist. Wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Systems sind die Sicherstellung einer durchgängig hohen Versorgungsqualität durch den Ausbau einer vernetzten Versorgung sowie eine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge.
Worauf müssen Jugendliche und junge Erwachsene in Ausbildung und Studium bei der Krankenversicherung besonders achten?
Meines Erachtens gibt es zwei wichtige Dinge. Da ist die Wahl einer Krankenversicherung, die zu mir passt. Wenn ich zum Beispiel plane, eine Familie zu gründen, so sind meine Kinder und mein nicht erwerbstätiger Partner in der gesetzlichen Krankenversicherung kostenlos mitversichert. Wenn ich plane, Beamter zu werden, ist es möglicherweise sinnvoll, früh in eine private Krankenversicherung einzutreten. Und zweitens die Selbstfürsorge: Keine noch so gute Krankenversicherung kann die Eigeninitiative zum Erhalt meiner Gesundheit ersetzen. Richtige Ernährung, nicht rauchen, ausreichend Sport und Bewegung sowie Entspannung sind wichtige Themen der Selbstfürsorge. Bei der Wahl einer Krankenversicherung kann ich darauf achten, ob meine Kasse mich darin unterstützt, gesundzubleiben.
Das Gespräch führte Lukas B. Kohlenbach
Zur Person
Stephanie Stock studierte Humanmedizin und Gesundheitsökonomie. Sie lebte und arbeitete in Ulm, Boston und Pennsylvania und erhielt mehrere Stipendien. 2013 nahm sie die Professur für angewandte Gesundheitsökonomie und patientenzentrierte Versorgung an der Universität zu Köln an. Stock ist Autorin mehrerer Fach- und Lehrbücher. (ksta)